Die Angebote geförderter Altersvorsorge verfehlen ihr Ziel, die Jugend zum Sparen für die Rente zu motivieren. Doch wie könnte es der Staat schaffen, die Generation Y zu mehr Altersvorsorge zu bringen? Sollte die Politik nicht stärker mit sogenannten Nudges* arbeiten?
Automatismus mit Ausstiegsmöglichkeit
Zu einem der bekanntesten und gleichzeitig wichtigsten Nudges in der Altersvorsorge gehört die automatische Teilnahme an Altersvorsorgeprogrammen. Bei der betrieblichen Altersversorgung zahlen Beschäftigte automatisch („per default“) in dieses System ein ... es sei denn, sie entscheiden sich bewusst dagegen (was als „Opt-Out“ bezeichnet wird). Diese Kombination von Automatismus mit Ausstiegsmöglichkeit (bekannt als Default-cum-Opt- Out) ist eine „sanfte“ Intervention, weil Arbeitnehmer das System abwählen können.
Die empirische Forschung zeigt, dass solche Automatismen einen enormen Einfluss auf das Verhalten von Menschen haben. Ein Paradebeispiel dafür sind die USA. Dort führte das automatische Investieren eines Teils des Einkommens durch den Arbeitgeber zu einem massiven Anstieg der Altersvorsorge. Denn die Ausstiegsmöglichkeit wird nur selten genutzt. Ähnliche positive Erfahrungen haben Staaten wie Australien, Neuseeland und Singapur, aber auch Dänemark und Großbritannien gemacht (siehe internationaler Teil).
Akzeptanz der Jugend
Doch stoßen solche Default-Regeln bei der Generation Y auf Zustimmung? Auf diese bislang noch nicht untersuchte Fragestellung gibt die aktuelle Studie eine eindeutige Antwort. Die Befragung konfrontierte die Jugendlichen mit einer Reihe fiktiver Vorschläge zur Reform des Rentensystems in Deutschland. Ein Vorschlag skizziert dabei ein Default-System, in dem Arbeitgeber einen kleinen Teil (zum Beispiel ein Prozent) des Einkommens automatisch auf ein „Altersvorsorge-Sparkonto“ des Arbeitnehmers einzahlen. Damit wird langfristig für die Rente gespart. Das Ergebnis zeigt, dass eine deutliche Mehrheit von 65 Prozent für die Einführung einer solchen automatischen Sparregel ist ... selbst wenn die Möglichkeit eines Opt-Out unerwähnt bleibt! Unter den jungen Frauen liegt die Zustimmungsrate sogar bei 76 Prozent.
Wird erwähnt, dass die Jugendlichen jederzeit aus der automatischen Sparregel aussteigen könnten, steigt die Akzeptanz sogar noch weiter: Insgesamt sprachen sich 83 Prozent für eine Default-cum-Opt-Out Sparregel aus, von den weiblichen Befragten waren sogar 93 Prozent dafür. Eine weitere Frage beschäftigte sich mit einem eventuellen Zuschuss des Arbeitgebers zu den Sparleistungen des Default-Systems. Bei diesem Vorschlag stieg die Zustimmungsrate auf 89 Prozent.
Die Resultate dokumentieren also eine umfassende Akzeptanz solcher Automatismen. Eine Stärkung von Default- cum-Opt-Out-Elementen in der (betrieblichen) Altersversorgung stößt demnach bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nahezu unisono auf Zustimmung.
Zielsetzungen und Erinnerungen
Die Studie untersuchte außerdem, wie die Einstellung der Befragten zu einem institutionalisierten System von Zielsetzungen und Erinnerungen ist. Es geht dabei um Aufforderungen (sogenannte „Prompts“), sich (unverbindliche) Ziele für die eigene Altersvorsorge zu setzen. An diese wird man dann regelmäßig erinnert. Diese Art Stupser beurteilt die junge Generation aber ganz anders als eine Default-Regelung: Nur 32 Prozent würden einem solchen System zustimmen. Bei den jüngsten Befragungsteilnehmern (17 bis 20 Jahren) sowie bei Frauen liegt die Zustimmungsquote etwas höher. In allen Fällen bleibt sie aber deutlich unter der Schwelle von 50 Prozent. Obwohl es sich bei diesem Stupser um eine erheblich sanftere Variante des Nudgings handelt, hält sich die Zustimmung zu dieser Option in engen Grenzen.
Information und Bildung
Auch die Bereitstellung und Aufbereitung von Informationen zum Rentensystem ist eine sanft-paternalistische Strategie. Auch hierzu hat die junge Generation eine eindeutige Meinung: So sprechen sich 68 Prozent für ein Schulfach „Wirtschaft und Finanzen“ aus, das Fragen zur Altersvorsorge behandeln soll. Das zeigt, dass die Jugendlichen ein Informations-Defizit empfinden.
91 Prozent der Befragten wünschen sich, mit dem Beginn der Berufstätigkeit jährlich Informationen über die Höhe ihrer Rentenansprüche zu erhalten. Eine klare Mehrheit von 62 Prozent hat den Wunsch nach einem personalisierten Rentenkonto im Internet, das ihnen einen Überblick über ihre Ansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Rentenversicherung gibt. Damit zeigt sich auch in diesem Punkt, wie offen die junge Generation für staatliche Stupser ist.
* Nudging/Nudge: Die Begriffe stehen im englischen für Stupsen/Schupsen oder Stups/Schubs. Darunter versteht man im Zusammenhang mit der Altersvorsorge einen wirksamen Stupser hin zur vermehrten Teilnahme an zusätzlicher – meist betrieblicher – Altersversorgung.