Welche Generationengerechtigkeit?

Interview mit Heribert Karch, Geschäftsführer des Versorgungswerks MetallRente
 

„Zu wenige Teilnehmer, zu wenig Geld und bald zu spät“: Auf diese Formel bringt MetallRente-Geschäftsführer Heribert Karch den Entwicklungsstand der zusätzlichen Altersversorgung. Er fordert durchgreifende Maßnahmen, ohne die das Scheitern der Rentenreform vorprogrammiert sei. Karch im Interview über notwendige
Konsequenzen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Studienergebnissen?

Karch: Vor 15 Jahren wurde die Reform eingeführt mit dem Argument, mehr Generationengerechtigkeit herzustellen. Der junge Mensch sollte im Umlagesystem weniger für den alten Rentner zahlen und stattdessen – staatlich gefördert – für die eigene Rente vorsorgen. Obwohl er damit eigentlich entlastet werden sollte, ist das Ergebnis nun weniger Gerechtigkeit. Denn die Bereitschaft zur Vorsorge ist im Sinkflug, die Beteiligung an der privaten Riester-Rente rückläufig. Wenn es eigenes Geld kostet, handeln die Menschen nun mal nicht automatisch im Sinne der Rentenreform. Die bAV wird zwar unter jungen Leuten immer beliebter. Dennoch konnte sich die zusätzliche Altersversorgung in der Generation Y nicht hinreichend durchsetzen. Damit wird sie von der vermeintlich gerechter behandelten zur prekären Generation der Rentenpolitik.

Welche Baustellen im Rentensystem muss der Gesetzgeber dringend angehen?

Karch: Das System verteilt Mittel wenig effizient. Die Staatsausgaben für die Altersversorgung in Deutschland befinden sich gemeinsam mit Polen, Spanien und Slowenien am Rande des oberen Drittels aller OECD-Staaten. Dennoch liegen die Lohnersatzraten – also das Verhältnis der Rente zum vorherigen aktiven Einkommen – in der Bundesrepublik am unteren Ende dieser Länder! Anstatt Generationengerechtigkeit haben wir Unsicherheit. Sogar ein Mensch, der im mittleren Einkommensbereich liegt, weiß oft nicht, ob er im Alter Rente oder Grundsicherung bekommen wird. Ihm droht damit die Anrechnung zusätzlicher Altersvorsorge auf die Grundsicherung. Dann macht
das Alterssparen aber für viele kaum Sinn!

Die vorliegende Studie stellt verschiedene Reformansätze in einzelnen EU-Ländern vor. Kann Deutschland etwas aus diesen Lösungsansätzen für den weiteren Reformprozess lernen?

Karch: Alle Länder, die als erfolgreich gelten wie etwa Dänemark oder die Niederlande, haben einen Kern aus zwei Säulen: Staat und Betrieb. Die Teilnahme ist in diesen Ländern aber verbindlicher als in Deutschland. Einige nutzen auch ein sanftes Anschubsen, das Nudging, das in vielen Ländern erfolgreich angewandt wird.

Lässt sich die Nudging-Politik dieser Länder auf die aktuelle deutsche Situation übertragen?

Karch: Nein, jedenfalls nicht in der Fläche. Denn wir haben in der kapitalgedeckten Altersversorgung bereits eine sehr ausdifferenzierte Landschaft. Ein universelles Nudging wäre nur für einen Teil der Arbeitnehmer nützlich. Für den Teil, der bereits heute komplett in eine betriebliche Altersversorgung ohne Ausstiegsmöglichkeit einbezogen ist, wäre es sogar ein Rückschritt. Für einheitliche Modelle ist es zu spät. Machbar wäre aber eine sichere rechtliche Basis, die den Unternehmen und Tarifparteien – die es nützlich finden – eine automatische Teilnahme am Nudging ermöglicht.

Welchen konkreten Schritt schlagen Sie als Nächstes vor, um eine Reform der Reform einzuleiten?

Karch: Wir befinden uns in der Mitte des 30-jährigen Reformprozesses. Es ist an der Zeit, in einem Halbzeit-Gipfel mit allen Akteuren weitere Maßnahmen zu besprechen. Wenn man will, dass Tarifparteien mehr tun, muss man vor allem Hindernisse beiseite räumen und verbesserte Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehören die Vereinfachung der Förderung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Lösung gravierender Gerechtigkeitsprobleme.